Freitag, 24. Mai 2013

[Buch #9] Oben ist es still von Gerbrand Bakker

Kurzinformationen


Titel: Oben ist es still
Autor: Gerbrand Bakker
Seiten: 316
Preis: 9,90€
Verlag: Suhrkamp Verlag
ISBN: 978-3518461426






Klappentext


Helmer van Wonderen räumt auf. Er verfrachtet seinen Vater ins Obergeschoß des elterlichen Bauernhauses und richtet sein Leben unten neu ein. Doch die ländliche Ruhe währt nicht lange, denn eines Tages kommt ein Brief von Riet. Ihr pubertierender Sohn Henk soll bei Helmer das Arbeiten lernen ...

Erster Satz


Ich habe Vater nach oben geschafft.

Meine Meinung


Als ich zu diesem Buch gegriffen habe, hatte ich eigentlich etwas ganz anderes erwartet. Vor allem der Klappentext ließ mir den Protagonisten Helmer van Wonderen schon vorher als eine ziemlich selbstsüchtige Person erscheinen, seinen Vater einfach so aus dem unteren Geschoss, dort wo sich eigentlich das Leben der beiden Personen abspielt, zu verbannen.
Mit dem Lesen und dem Fortschreiten der Handlung, in die immer wieder Passagen aus der Vergangenheit der Familie eingebaut worden sind, wurde mein Eindruck allerdings ein anderer. Helmer van Wonderen ist einer von zweien, ein Zwilling. Sein Bruder Henk starb allerdings bei einem Autounfall vor vielen Jahren. Die Fahrerin und damals zukünftige Ehefrau von Henk, Riet, überlebte, war aber bald gezwungen den Bauernhof der Familie zu verlassen.
Jahre später schickt sie ihren eigenen Sohn Henk auf den Bauernhof, damit er das Arbeiten lernt, wie sie es in einem Brief an Helmer ausdrückt.

"Was soll ich tun?", flüstert Vater.
"Nichts Besonderes.", antworte ich.
"Ja, aber..."
"Was?"
"Ich bin doch tot?"
"Nein, jetzt nicht mehr." (S. 148)

Der Roman behandelt hauptsächlich das Thema, dass Helmer sich nie von seinem Vater als sein Sohn akzeptiert fühlte, sondern sein Bruder Henk ihm immer vorgezogen wurde. Er war nicht für den Beruf als Bauer gemacht, sondern studierte Literaturwissenschaften in Amsterdam. Bis sein Bruder eben starb und ihm keine andere Möglichkeit blieb, als den Bauernhof zu übernehmen. Über die Jahre kehrte Routine ein, aber als Henk schließlich eine Stelle als Knecht bei ihm antritt, muss er feststellen, was er solange verdrängt hat. Dass ihm eigentlich nichts hier gehört, abgesehen von den beiden Eseln, die keine Namen tragen und ihn so sehr an ihn und seinen Bruder erinnern, bevor Riet kam.

Dieses Buch ist nicht unbedingt sehr spannend, aber ich habe es doch als sehr real empfunden. Ich kann mir gut vorstellen, dass es genau so eine Situation irgendwo einmal gegeben hat, vor allem in einer dörflichen Gegend, wie im Roman beschrieben.
Der Titel "Oben ist es still" ist dabei vielleicht sehr irreführend. Helmer hat seinen bettlägerigen Vater in sein altes Zimmer in der oberen Etage geschafft, um sich unten ein neues Wohnzimmer einrichten zu können. Vielleicht auch mit der Absicht, sich nicht mehr soviel mit dem oberflächlich vielleicht verhassten Vater beschäftigen zu müssen. Trotzdem gibt es im Buch noch viele Passagen, während derer er einfach im neuen Zimmer des Vaters sitzt und ihm beim Schlafen beobachtet, da er doch derjenige ist, dem der Bauernhof eigentlich noch gehört.
Der englische Titel "The Twin" ist aber vielleicht doch passender, da es bis zum Ende auch immer noch darum geht, dass Helmer sich seitdem Henk Riet kennenlernte und starb, nicht mehr als ganz empfunden hat, sondern nur als die Hälfte irgendwovon.

Es fällt mir wirklich schwer, dieses Buch zu bewerten, eben weil es mir so realistisch vorgekommen ist. Trotzdem habe ich mich dafür entschieden, dem Buch nur 4 Herzen zu geben. Stellenweise war es doch etwas langatmig und schwer, sich zum Weiterlesen zu motivieren. Aber mit dem Beenden des Buches kann ich sagen, dass es doch sehr zum Nachdenken angeregt hat, was die Pflege alter Menschen und dem Umgang mit ihnen angeht.



Wunderschönes Wochenende,
Karokoenigin.

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